Capoeira Regional


“ Der Reichtum an Bewegungen verbunden mit Musik und Leichtigkeit sorgen für gute Laune, körperliches Training und machen die Magie der Capoeira einzigartig.“


Capoeira Regional ist der Capoeira-Stil, der von Manoel dos Reis Machado, bekannt als Mestre Bimba, erfunden wurde. Mit der Capoeira Regional entstanden völlig neue Tritte und Bewegungen, außerdem hatte die Capoeira Regional einen schnelleren, dynamischeren Rhythmus als die Capoeira Angola.

Bereits während seiner Tätigkeit als Capoeira-Lehrer gewann Mestre Bimba die Überzeugung, dass die Capoeira Angola verändert werden musste. Nach seiner Meinung  ließ die Capoeira Angola in kämpferischer Hinsicht zu wünschen übrig. Capoeira hatte sich zu einem „Tagesmenü für Pseudo-Capoeiristas“ zurückentwickelt, die die Capoeira Angola nur noch für Vorführungen auf Plätzen benutzten. Dazu verfügte die Capeoira nur über eine eingeschränkte Anzahl an Schlägen. Mestre Bimba verknüpfte deswegen den „Batuque“ mit der Capoeira Angola, um mehr Agilität in die Bewegungen zu bringen. Er wollte ein fröhliches, heiteres, akrobatisches und agiles Spiel und schuf so, was er „Regionalkampf von Bahia“ nannte – also Capoeira Regional. Von seinem Vater hatte Mestre Bimba die Kunst des Batuque gelernt, eines wilden und gewalttätigen afrikanischen Kampfes, bei dem es das Ziel war, den Gegner nur mit den Beinen zu Fall zu bringen. Sein Vater, Luiz Cândido Machado, war Meister dieser Kunst.

All dies spielte sich um das Jahr 1928 ab und diese Spielart des Capoeira wurde zunächst Bahianisches Capoeira Regional genannt, weil es nur in Salvador, der Hauptstadt des Staates Bahia, gespielt wurde. Ab den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, in Zeiten der Politik des „Neuen Staates“, durchlief Brasilien eine Phase vieler Änderungen auf politischer, kultureller und sozialer Ebene; dabei kam die Modernisierung von selbst. Im Zuge all dessen entstand für Mestre Bimba die Gelegenheit, seinen Capoeirastil in die höheren gesellschaftlichen Schichten zu bringen. Im Jahre 1936 gab er die erste öffentliche Vorstellung seiner Arbeit und wurde ein Jahr später vom Gouverneur Bahias, General Juracy Magalhães, für eine Vorstellung in den Regierungspalast eingeladen, bei der auch diverse wichtige Persönlichkeiten aus Staat, Verwaltung und Gesellschaft anwesend waren. Nach dieser Vorführung wurde Capoeira Regional als Nationalsport angesehen, Mestre Bimba wurde vom Kultus- und Sozialministerium von Bahia zum Sportlehrer ernannt und seine Capoeiraschule wurde als erste in Brasilien gesetzlich anerkannt.


Mestre Bimba

Manoel dos Reis Machado war der Sohn von Luiz Cândido Machado und Maria Martinha do Bonfim und wurde am 23. November 1900 bei Freguesia im Stadtteil Engenho Velho / Salvador de Bahia geboren.
Sein Spitzname „Bimba“ geht auf eine Wette seiner Mutter mit ihrer Hebamme zurück – seine Mutter Martinha glaubte, sie würde ein Mädchen zur Welt bringen, während die Hebamme meinte, es werde ein Junge sein. Die Hebamme gewann die Wette und der kleine Manoel bekam den Spitznamen „Bimba“, was ein umgangssprachlicher Ausdruck in Bahia für das männliche Sexualorgan ist.

Mit 12 Jahren fing er mit Capoeira an und hatte als Meister einen Afrikaner namens Bentinho, der auch Kapitän bei der Bahianischen Schifffahrtsgesellschaft war. Bimba lernte bei Bentinho ungefähr vier Jahre; danach begann er selbst zu unterrichten, was er bei Bentinho gelernt hatte und gab rund zehn Jahre Unterricht für Capoeira Angola bei der Hafenverwaltung von Bahia.

Im Jahre 1932 gründete er seine erste Schule für Capoeira Regional in Engenho de Brotas in Salvador. Es war das regionale Zentrum Bahias für Körperkultur. Von da an stieg der Bekanntheitsgrad von Mestre Bimba, er wurde berühmt und bekam von vielen den Spitznamen „Vater des modernen Capoeira“.

Erst im Jahre 1937 erhielt er vom Kultus- und Sozialministerium in Salvador die Zulassung für seine Schule und 1942 eröffnete er seine zweite Schule auf dem Terreiro de Jesus, Rua das Laranjeiras, heute Rua Francisco Munis Barreto 1, die auch heute noch unter der Leitung von seinem ehemaligen Schüler Mestre Vermelho 27 (mittlerweile Mestre Bamba) existiert.
Verbittert von falschen Versprechungen der Regierung, Mangel an Unterstützung und finanziellen Schwierigkeiten starb Mestre Bimba am 15. Februar 1975 in einem Krankenhaus in Gôiania an einer Gehirnblutung.

Mestre Bimba war in seinem Leben Hafen- und Lagerarbeiter und Zimmermann, aber vor allem Capoeirista, Mestre des Capoeira. Die Flamme seiner Existenz wird stets im Herzen und der Seele aller Capoeiristas brennen. Auf diese Weise soll der Mestre Anerkennung über Generationen hinweg bekommen, genauso wie die Würdigung seiner Genialität. Mestre Bimba ernannte keine Mestres. Um von Mestre Bimba die höchste Graduierung (Titel: Grad der Spezialausgebildeten) zu erhalten, musste man folgende Stationen durchlaufen: Aufnahmeprüfung in die Schule, Taufe, Abschlussprüfung und Spezialisierungskurs.


Taufe (Batizado)

Die Taufe bzw. die „Batizado“ bestand darin, jedem Neuling einen Spitznamen zu geben, unter dem er danach in der Schule und der Welt des Capoeira bekannt war. Dieser Spitzname war sein „Kampfnahme“: als Inspiration für ihn konnten zum Beispiel körperliche Eigenarten (z. B. Mestre Gigante = Riese), der Stadtteil, wo der Schüler wohnte (z. B. Mestre Itapoan = Stadtteil von Salvador), der Beruf (z. B. Mestre Deputado = Abgeordneter), die Art sich zu kleiden (z. B. Mestre Camisa = Hemd), Einstellungen (z. B. Mestre Preguiça = Faulheit) oder ein artistisches Talent dienen. Laut Mestre Bimba diente der Spitzname den alten Capoeiristas auch zur Verschleierung ihrer Identität, weil sie für die Polizei so nicht mit ihrem wahren Namen zu identifizieren waren.

Einen Schüler zu taufen bedeutete in der Schule von Mestre Bimba auch, ihn zum ersten Mal in Begleitung eines Berimbaus spielen zu lassen, weil das Training der Sequenzen ohne Beleitung irgendeines Instruments stattfand. Der Mestre suchte einen graduierten Schüler aus und spielte „São Bento Grande de Regional“. Der Graduierte begleitete den Neuling und forderte von ihm die erlernten Abwehrbewegungen und Schläge. Am Ende des Spiels stellte der Mestre den Neuling in die Mitte und fragte die Graduierten nach einem Spitznamen oder er gab ihn direkt selbst. Nachdem ein Name gefunden war klatschten alle in die Hände und der Mestre ordnete den „Segen des Paten“ an, woraufhin der Neuling die Hand zu dem Graduierten ausstreckte, der ihn getauft hatte und den „Segen“ empfing, ein Fußtritt, der ihn zu Boden warf. Das war allerdings eine reine Veralberung, die nicht zwingend war; es gab fitte Neulinge, die dem „Segen“ ausweichen konnten und es dann dabei blieb.

Die Taufe war eine Kreation Mestre Bimbas für seine Schule. In der Vergangenheit hatte es sowas nicht gegeben. Es war eine Eigenart des Capoeira Regional die später, als es schon eine größere Anzahl von graduierten Schülern gab als Batizado gefeiert wurde. Daher ist es gut, dass alle die dieses Fest auch heute noch feiern, sich an die Herkunft dieses Fests erinnern und die Tradition bewahren.

Einen Schüler bei Batizado unbedingt zu Fall zu bringen sollte vermieden werden, weil es ein Risiko für den Neuling, seine körperliche Unversehrtheit und seine Moral bedeutet. Hinfallen ist immer eine Folge des Spiels, aber keine Verpflichtung.
Es werden Würfe angewandt, bei denen es selbst gute Capoeiristas nicht schaffen, richtig zu fallen, geschweige denn ein Anfänger. Ein anderer Punkt ist, dass manche „Mestres“, „Professores“ oder „Formados“ beim Einstieg ins Spiel zur Taufe eines Neulings allen ihr Spiel zeigen wollen,  mit verschiedensten Arten von Bewegungen –  die oft wenig mit Capoeira zu tun haben – und so dem Neuling die Bühne nehmen. Doch ist es er, der bei dieser Gelegenheit zeigen soll, was er kann. Etwas Mäßigung und mehr Capoeira wären für diesen Anlass ideal. Der Profi hat alle Rodas der Welt, um sein Können unter Beweis zu stellen, der Neuling nicht. Das Fest gebührt dem Anfänger, er ist die Hauptperson und so soll er im Fokus stehen. Laut Bimba ist das das Gesetz der Batizado, das Gesetz der Capoeira.